Wie steht es um die Resilienz von Frauenorganisationen?
Foto: Ausschnitt von einem Wandbild im Eingangsbereich vom Women’s Fund Armenia
Was brauchen Frauenorganisationen, um stark zu sein? Was macht uns angesichts von Krisen und Konflikten widerstandsfähig? Diese Fragen waren der Ausgangspunkt bei der Konzeption des Projekts „Stärkung der Resilienz von Frauenorganisationen“, welches wir gemeinsam mit Frauenorganisationen aus Mittel- und Osteuropa durchführen und das vom Auswärtigen Amt gefördert wird. Durch Berichte und aus Gesprächen mit unseren langjährigen Förderpartnerinnen wussten wir, dass viele Aktivist*innen unter extrem belastenden Umständen arbeiten. Seien es fehlende finanzielle Ressourcen, Anfeindungen aus dem Umfeld oder bürokratische Hürden.
Warum eine Studie zur Resilienz von Frauenorganisationen?
Die Idee zu einer Studie kam uns – unseren Partner*innen vom Women’s Fund Armenia, Women’s Fund in Georgia und Ukrainian Women’s Fund und filia –, weil wir zwar wussten, dass „der Schuh drückt“, aber nicht immer genau, wo. Wir vermuteten, dass es Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern gibt und dass es innerhalb der Länder Unterschiede gibt, ob Organisationen in größeren Städten oder auf dem Land aktiv waren. Und sicherlich macht es auch einen Unterschied, mit welchen Zielgruppen die jeweiligen Frauenorganisationen zusammenarbeiten. Wir wollten daher unsere Annahmen überprüfen und auf eine fundierte Basis stellen. So, da waren wir uns einig, könnten wir in den nächsten Projektschritten passende Angebote für unsere Förderpartnerinnen entwickeln.
Für filia war es eine Premiere, im Rahmen eines Projekts eine Studie in Auftrag zu geben. Wir wollte erfassen lassen, wie Frauenorganisationen die Resilienz ihrer Organisationen beurteilen und wo es Handlungsbedarf gibt. Der Vorteil, Arbeit und Zeit in solch eine Studie zu investieren, liegt auf der Hand: Die Ergebnisse der Studie weisen uns darauf hin, wie wir Frauenorganisationen an der Basis gezielt stärken können. Für welche bisher weniger beleuchteten Themen sollten wir noch Öffentlichkeit schaffen und Gelder akquirieren?
Zur Studie selbst
Die Studie wurde im Herbst und Winter 2022 in Armenien, Deutschland, Georgien und der Ukraine durchgeführt. Mittels eines ausführlichen Online-Fragebogens wurden sowohl Mitarbeitende der vier beteiligten Frauenstiftungen als auch Mitarbeitende von Graswurzelorganisationen befragt. Insgesamt nahmen 137 Frauen und LBTIQ+ an der Studie teil. Die teilnehmenden Organisationen in Deutschland waren Tutmonde Stralsund, Mädchentreff Bielefeld, Women in Exile, Lesbenverein Intervention und Utamara. Ein Schwerpunkt des Fragebogens war der Umgang mit und das Vorbereitet-Sein auf Krisen.
Länderübergreifende Bedarfe in der Resilienz
Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist die mangelnde finanzielle Absicherung von Frauenorganisationen, insbesondere in Krisen. Sie haben z.B. keine Rücklagen, um sechs Monate zu überbrücken. Sollten sie schließen müssen, fehlte vielen die finanziellen Mittel, um später wieder zu öffnen. Außerdem können viele Organisationen keine Ressourcen für die Vorbereitung auf Krisen bereitstellen. Es fehlt beispielsweise an Zeit, um Arbeitsabläufe für Notfälle zu entwickeln und einzuüben. Auch den Frauenstiftungen fehlen Zeit und andere Ressourcen, um sich auf Krisen und Notfälle vorzubereiten.
Ein weiteres Problem ist, dass die befragten Frauenorganisationen bei einer größeren Krise nicht genügend Ressourcen für die fortlaufende Unterstützung ihrer Communities haben. Aufgrund der fehlenden Absicherung steht in einer Krise die eigene Existenzsicherung erst einmal im Vordergrund. Darunter leidet die eigentliche Arbeit. Die Existenznot lässt sich auch damit erklären, dass viele der befragten Organisationen im Notfall nicht in der Lage sind, auf Ressourcen von außen zuzugreifen. Das heißt zum Beispiel, dass es ihnen an Wissen um Fördermöglichkeiten fehlt. Oder ihnen fehlt die fachlich Expertise im Einwerben von Spenden.
Und was braucht es noch für eine bessere Resilienz
Die Studie fragte allerdings nicht nur nach den organisatorischen Faktoren von Resilienz. Es gab auch Fragen nach der individuellen Resilienz der Mitarbeitenden. Hierbei wurde deutlich, welche enorme Rolle Stress- und Burnout-Prävention für die Resilienz der individuellen Mitarbeitenden spielt. Einen wichtigen Beitrag leisten hierbei klare Strukturen, denn sie geben Orientierung und Halt, auch in stürmischen Zeiten. Gleichzeitig braucht es ein kontinuierliches Monitoring der Arbeitsbelastung aller Mitarbeitenden. Das hilft, frühzeitig zu reagieren, wenn sich auf einzelnen Schreibtischen zu viel Arbeit türmt. Die Studie identifizierte ebenso, dass Coaching- und Beratungsangebote für einzelne Mitarbeitende einen äußerst positiven Effekt auf die individuelle Resilienz haben.
Ein Ergebnis der Studie zeigte sich länderübergreifend: In vielen Teams hat in den vergangenen Jahren oder aktuell ein Generationenwechsel stattgefunden – verbunden mit der Herausforderung, oftmals organisch gewachsene Strukturen an die nächste Generation zu übergeben. Hier braucht es besondere Aufmerksamkeit für Wissenstransfer und für die Stabilisierung von Strukturen. Auch diesem Aspekt soll im weiteren Projektverlauf Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Wie soll es weitergehen?
Für viele der teilnehmenden Organisationen war bereits die Bearbeitung des Fragebogens sehr bereichernd, da er ihnen bei der eigenen Reflektion hinsichtlich ihrer Organisations- sowie individuellen Resilienz half. Auf der Basis ihrer Erkenntnisse entwickeln die teilnehmenden Organisationen nun gezielte Maßnahmen. Zur Stärkung ihrer Resilienz wählen die Organisationen unterschiedliche Ansätze: sei es eine stärkere Professionalisierung der Vereinsarbeit oder die Einführung von Selfcare-Maßnahmen im Arbeitsalltag.
Hier finden Sie alle Resilienz-Projekte unserer Partnerinnen in Deutschland!
PS: Auch in früheren Projekten, die vom Auswärtigen Amt gefördert wurden, streiften wir bereits das Thema Resilienz. Im Projekt „Shrinking Spaces“ beschäftigten wir uns mit Einschränkungen, mit denen sich feministische Organisationen konfrontiert sehen. „Feminist Landscapes“ wiederum war ein Projekt zur Frage nach Ausschlüssen innerhalb der feministischen Bewegungen. Da beide Projekten sich mit den Herausforderungen von Frauenorganisationen beschäftigen, war es nur natürlich, dass die Frage nach Resilienz angesichts von Herausforderungen und Krisen immer wieder aufkommt. Daher erachtete es unsere Gruppe von Frauenstiftungen als notwendig, diesem Thema nun ein ganz eigenes Projekt zu widmen.