Daje: Unterstützung und Advocacy von und für Rom*nja

Das Roma Center Daje ist bereits seit 2018 strategische Projektpartnerin von filia. Die serbische Organisation ist ein gutes Beispiel für den Wert kontinuierlicher und dadurch nachhaltiger Förderung, wie sie filia sich zum Prinzip gemacht hat. Dank verlässlicher Partner*innen kann sich Daje stetig weiterentwickeln. Sie kann ihre Hilfsangebote ausbauen und ist sogar in der Lage über Landesgrenzen hinaus Advocacy-Arbeit für Rom*nja zu leisten.

Unterstützung bei geschlechtsspezifischer Gewalt

Im Bereich Beratung konzentriert sich die Organisation auf die Unterstützung von Roma-Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht oder bereits betroffen sind. Für sie bieten sie eine kostenlose 24-Stunden-SOS-Hotline an. Darüber hinaus gibt es rechtliche sowie psychosoziale Beratung.
Im letzten Jahr veranstaltete Daje in der Belgrader Siedlung Veliki Mokri Lug den Workshop „Zuflucht vor gewalttätigen Personen“. Mit diesem Workshop wollten die Aktivist*innen herauszufinden, wie gut die Frauen der Siedlung über Hilfsangebote für die Momente größter Gefahr tatsächlich informiert sind. Ihre Erkenntnisse aus dem Workshop nutzen sie unter anderem in ihrer Advocacy-Arbeit. Daje setzt sich z. B. dafür ein, dass der Staat eine Notunterkunft für Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, einrichtet.

Die Corona-Pandemie hat auch 2022 in den Roma-Siedlungen um Belgrad herum weitere dramatische Verschlechterungen mit sich gebracht. Viele Familien haben ihre Einkommensquellen verloren. Ihre Armut hat sich so weit verschärft, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die grundlegenden Lebensbedürfnisse zu befriedigen, einschließlich Nahrung, Unterkunft und Hygieneartikel. Das Daje-Team berichtet von einem starken Anstieg von Hilfe suchenden Frauen und Kindern, die der häuslichen Gewalt entkommen wollen.

„Ja jesam“ – Roma bei der Volkszählung

Daje sammelt kontinuierlich Daten, um bestehende Missstände und Diskriminierungen von Rom*nja zu belegen. Damit die serbische Regierung gezielter zu Verbesserungen aufgefordert werden kann, ist es notwendig zu belegen, wie viele Menschen im Land von dieser ethnischen Diskriminierung betroffen sind. Daher ist es entscheidend zu wissen, welchen Anteil an der serbischen Bevölkerung die Rom*nja ausmachen. Das ist nicht einfach, da viele Roma-Menschen es vermeiden, sich bei öffentlichen Institutionen und Behörden „als Roma zu outen“. Aus Angst vor Diskriminierung. Das führte in der Vergangenheit leider immer wieder dazu, dass die serbische Regierung sich weigerte, gegen die Diskriminierung von Rom*nja vorzugehen. Es seien zu wenige Betroffen.

Zur Volkszählung im letzten Jahr produzierte Daje einen Kurzfilm, in dem verschiedene Rom*nja interviewt wurden, die es trotz Diskriminierung geschafft haben, ihre Ziele zu erreichen und Erfolg zu haben. Der Film endet mit der Aufforderung, bei der Volkszählung teilzunehmen und sich selbst als Rom*nja zu deklarieren.

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Inwiefern der Film geholfen hat, mehr Romnja zu motivieren, an der Volkszählung teilzunehmen, konnten unsere Partner*innen bisher leider nicht feststellen: die serbischen Behörden verweigern ihnen die Zahlen. Daje hat dagegen bereits Beschwerde eingelegt.

Frühverheiratung im Fokus von Daje

Im Rahmen ihrer Recherchen führte Daje 2022 eine Umfrage in den Belgrader Rom*nja-Siedlungen durch, die sich mit der Rolle von Institutionen im Umgang mit Frauen und Mädchen beschäftigte. Durch diese Umfrage wurde deutlich, dass Sozialzentren, denen z. B. eine unentschuldigte Abwesenheit von Schüler*innen am Unterricht grundsätzlich gemeldet werden muss, im Falle von Roma-Kindern nicht tätig werden. Das heißt, anders als bei anderen Kindern, bei denen die Eltern kontaktiert werden, Hausbesuche gemacht werden, tun die Sozialzentren hier nichts.

Daje sagt: Das ist eine eklatante Diskriminierung und geht dagegen vor. Häufig steht unentschuldigtes Fehlen in der Schule bei Mädchen mit Frühverheiratung in Zusammenhang. Für Daje steht diese Kinderrechtsverletzung schon lange gemeinsam mit der Mutterschaft minderjähriger Mädchen im Fokus ihrer Organisation. Daje fordert die serbischen Behörden auf, Frühverheiratungen in den Rom*nja Communities nicht länger als ethnisches Problem zu ignorieren. Tatsächlich ist dieser „Brauch“ auch bei vielen Rom*nja geächtet. Daje ist empört, dass die Sozialzentren in Fragen des Kindeswohl bei Roma-Kindern so fahrlässig handeln.

In den letzten Jahren ist Daje auch außerhalb Serbiens , auf europäischer Ebene, immer präsenter geworden. Im November 2022 traf die Journalistin Dzenet Koko, als Repräsentantin Dajes, Mitglieder des Europäischen Parlaments (siehe Titelfoto). Sie sprach mit ihnen über die vielen Herausforderungen, mit denen Roma-Frauen immer noch zu kämpfen haben. Sie überbrachte außerdem einen von Daje erarbeiteten Maßnahmenkatalog zur Beendung von Frühverheiratungen in den Rom*nja Communities. Für ihre europäische Advocacy-Arbeit ist es eine erhebliche Erleichterung, dass seit Ende des letzten Jahres die Webseite von Daje nun auch auf Englisch verfügbar ist.

Wie wirkt Daje?

Dajes Arbeit und ihre vielfältigen Errungenschaften sind beeindruckend. Die Wirkung dieser Basisorganisation ist umfassend und reicht über Landesgrenzen Serbiens längst hinaus. Auf individueller Ebene verändert Daje das Bewusstsein der ratsuchenden Frauen und Mädchen. Sie erfahren, dass das Ertragen von Gewalt nicht „naturgegeben“ ist. Die vermittelten Kenntnisse und die Wertschätzung ebenso wie die Vernetzung mit anderen Frauen verschiedener Roma-Siedlungen empowern die einzelnen Frauen und Mädchen, die bei Daje Hilfe suchen. Auf systemischer Ebene arbeitet Daje mit politischen Entscheidungsträger*innen, um die Umsetzung und Wahrung der Menschenrechte für Romnja zu verwirklichen. Sie fordern sie u.a. verbesserte Hilfsstrukturen für von gewaltbetroffene Roma-Frauen, wie z.B. Notunterkünfte, oder machen Druck, dass Schulen ihrer Fürsorgepflicht besser nachkommen und aktiv gegen Frühverheiratungen bei Roma-Mädchen vorgehen. Auch auf europäischer Ebene arbeitet Daje für die Sichtbarkeit von Romnja.

Parallel zu all diesen wichtigen Aktivitäten ist es dem Roma Center Daje gelungen, Spendengelder einzuwerben, um ein eigenes Haus zu kaufen. Die Organisation konnte in diesem Frühjahr bereits einziehen. Der Erwerb des Hauses bedeutet für die Organisation, sichtbarer sein zu können. Sie haben nun einen für sich und den bei ihnen ratsuchenden Frauen sicheren Ort.

Zum Weiterlesen: Die englischsprachige Webseite vom Roma Center Daje