Feministische Resilienz – filias neues Kooperationsprojekt

Wir stärken die Resilienz feministischer Organisationen

Feministische Organisationen und Aktivist*innen geraten international immer stärker unter Druck. Sie werden von rechten Gruppen angegriffen. Autokratische Regierungen erlassen drangsalierende Gesetze. Politische, wirtschaftliche und kriegerische Krisen bedrohen die Arbeit von Aktivist*innen. Das Bewahren und Sichern von feministischen Errungenschaften hinsichtlich Partizipation und Freiheit von Gewalt ist schwieriger denn je – vor allem, da zivilgesellschaftliche Akteur*innen durch die Pandemie derzeit vielfach isoliert arbeiten müssen. Diese Entwicklungen schwächen nicht nur Frauen- und Menschenrechtsbewegungen, sondern auch die Demokratien in vielen Ländern dieser Welt.

Eine zentrale Herausforderung besteht im Moment daher darin, die Stabilität von feministischen Organisationen zu sichern. Anders ausgedrückt: Organisationen und Aktivist*innen müssen in ihrer Resilienz, ihrer Widerstandskraft, gestärkt werden. Nur so können sie nachhaltig wirksame Arbeit machen sein.

Was ist eigentliche Resilienz?

Resilienz (auch: Widerstandskraft) ist die Fähigkeit von Individuen, aber auch Organisationen, angesichts von Krisen zu bestehen, sich anzupassen oder sich zu verändern. Im psychologischen Kontext ist Resilienz verknüpft mit der Erhaltung von Gesundheit, Widerstandsfähigkeit, funktionierenden Bewältigungsstrategien und Selbsterhaltung. Im soziologischen Diskurs stehen vor allem Fragen nach der Widerstands- und Regenerationsfähigkeit von Organisationen im Vordergrund. Wichtig ist dabei, dass resiliente Strukturen nicht nur ermöglichen, Krisen besser zu bewältigen, sondern auch aus ihnen zu lernen und sich an zukünftige Herausforderungen anzupassen. Gerade im Rahmen von Menschenrechtsarbeit ist es auch notwendig, die Kritik am Resilienz-Begriff im Blick zu behalten: Der Fokus auf die Resilienz von Aktivist*innen aus diskriminierten Gruppen und ihrer Organisationen darf nicht auf Kosten der Bekämpfung der eigentlichen diskriminierenden Strukturen geschehen. Der Aufbau resilienter Frauenorganisationen ist somit kein Zweck an sich, sondern ein wichtiges Mittel, um menschenwidrige Strukturen zu bekämpfen und zu verändern.

Wer ist am Projekt beteiligt?

filias neues Kooperationsprojekt ist ein weiterer Schritt unserer langjährigen und vertrauensvollen Partnerschaft mit unserer Schwesternstiftungen aus Mittel- und Osteuropa. Seit vielen Jahren arbeiten wir nun schon mit den Frauenstiftungen aus Armenien, Georgien und der Ukraine zusammen. Diese Kooperationsprojekte wurden und werden durch das Auswärtige Amt im Rahmen des Programms „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ gefördert.

Die bisher durchgeführten Projekte befassten sich mit den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen von feministischen Organisationen und Aktivist*innen. In gemeinsamen Gesprächen mit unseren Partner*innen kamen wir immer wieder auf die übermäßige Belastung zu sprechen, die feministische Organisationen und Aktivist*innen auszuhalten haben: als Einzelpersonen, die oft aufgrund ihres Geschlechts und anderer Merkmale diskriminiert werden ebenso wie kollektiv als Gruppen von Menschen, die die bestehenden Machtverhältnisse in Frage stellen und sich so zur Zielscheibe von Gewalt und Anfeindungen machen. Und zu guter Letzt werden feministische Organisationen auch institutionell ge- und überfordert. Sie sind massiv unterfinanziert, werden von rechtspopulistischen Regierungen bedrängt und von antifeministischen Gruppen bedroht.

Ablauf des Projekts

Hier setzt unser dreijähriges Projekt an: Ziel des Kooperationsprojekts ist es, die institutionelle, kollektive und individuelle Resilienz von feministischen Organisationen und Aktivist*innen nachhaltig zu stärken. Im ersten Jahr fokussieren wir uns dabei zuerst auf unsere eigenen Bedarfe als Frauenstiftungen. Denn im Austausch mit unseren Kolleg*innen in Armenien, Georgien und der Ukraine wurde schnell klar, dass wir – ebenso wie unsere Projektpartner*innen – den Druck und die Belastung spüren. In gemeinsamen Diskussionen und bei der gemeinsamen Entwicklung und Durchführung einer Studie zu Resilienz von Frauenorganisationen nehmen wir die aktuelle Situation unter die Lupe und fragen: Was schwächt uns, was stärkt uns – und so im besten Fall auch feministische Bewegungen in den vier Ländern: Armenien, Deutschland, Georgien und der Ukraine. Eine Rolle spielen dabei auch die jeweiligen gesellschaftlichen Kontexte. Und je nachdem, wo jede Stiftung den größten Handlungsbedarf sieht, bietet sie teamintern Trainings an, entwickelt Arbeitsweisen weiter etc.

Darüber hinaus erarbeiten die Stiftungen zusammen eine Studie zur Resilienz von feministischen Organisationen. Die Studie zielt darauf ab, den Stand und die Bedarfe hinsichtlich der Kapazitäten und Resilienz von Organisationen und ihren Aktivist*innen festzustellen. Die Frauenstiftungen werden die Studie bei einem gemeinsamen Treffen im Herbst entwerfen. Die Ergebnisse fließen wiederum in eine Projektausschreibung im zweiten Projektjahr ein.

Das zweiten Projektjahr beginnt mit einer Projektausschreibung. Die Stiftungen laden dazu die Organisationen ein, die sich bereits an der Studie beteiligt haben. Die Ausschreibung und die daraus entstehende Zusammenarbeit mit Frauenrechtsorganisationen in den beteiligten vier Ländern soll es den Partnerorganisationen ermöglichen, ihre speziellen Resilienz- Bedarfe zu adressieren. Dabei unterstützen sie externe Berater*innen. Gemeinsam werden in dieser Projektphase Arbeitspläne zur Stärkung ihrer Kapazitäten und ihrer Resilienz erstellt. Zum Abschluss des zweiten Projektjahres findet ein Austausch zwischen den Frauenrechtsorganisationen auf nationaler Ebene statt. Der Erfahrungsaustausch soll ein Teilen von Good-Practice-Beispielen ermöglichen und den Zusammenhalt der nationalen Netzwerke stärken.

Zeit für Aufbau resilienter Strukturen

Das letzte Jahr des Projekts konzentriert sich auf die Festigung der Resilienz der beteiligten Frauenrechtsorganisationen. Die beteiligten Projektpartner*innen führen z.B. neue Arbeitsroutinen in ihren Einrichtungen ein, stärken Wohlbefinden und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden oder verbessern z.B. die digitale Sicherheit ihrer Organisationen. Auch diese Projektphase wird von externen Beraterinnen professionell begleitet. So gelingt es, Maßnahmen zielgenau so anzusetzen, dass sie nachhaltig auf die Stärkung der Organisationen einwirken.

Zum Abschluss des Projekts treffen sich alle teilnehmenden Organisationen und Stiftungen zu einer internationalen Konferenz. Dieses Treffen soll Raum und Gelegenheit geben, die Ergebnisse und Erkenntnisse aus drei Jahren Projektarbeit zu teilen und auszuwerten. Fokus wird u.a. sein, wie institutionelle, kollektive und individuelle Resilienz voneinander abhängen und wie sie ganzheitlich angegangen werden können, um Frauen- und Menschenrechtsarbeit nachhaltig zu stärken. Die Konferenz ist auch ein empowernder Ort für die Aktivist*innen: Sie sind und fühlen sich weniger isoliert. Die internationale Gemeinschaft feministischer Organisationen und Aktivist*innen ist gestärkt.

Was soll am Ende dabei herauskommen?

Der explizit ressourcenorientierte Ansatz des Projekts berücksichtigt, dass Frauen eine besonders vulnerable Gruppe und in vielen Ländern massiven Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt sind. Indem sich feministische Organisationen für Freiheit von Gewalt, Partizipation und selbstbestimmtes Leben einsetzen, sind sie Schlüsselakteur*innen bei der Förderung demokratischer Werte. Versetzen wir sie in die Lage, ihre Arbeit nachhaltig und ressourcenschonend umzusetzen, wird das einen positiven Effekt auf die gesamte Gesellschaft haben. Denn Geschlechtergerechtigkeit ist der Schlüssel zu einer gerechten und menschenwürdigen Welt.

Daher ist es den Frauenstiftungen wichtig, dass die zentralen Erkenntnisse des Projekts möglichst weit gestreut werden. Geplant ist, sie zum einen mit nationalen und internationalen Netzwerken, wie z.B. im Internationalen Netzwerk der Frauenstiftungen Prospera, zu teilen. Zum anderen wollen wir die Ergebnisse auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen und mit politischen Entscheidungsträger*innen dazu ins Gespräch kommen. Feministische Arbeit braucht bessere finanzielle Ausstattung. Nur so kann sie resilient voranschreiten.