24/7 – Jeden Tag, jede Woche, selbstwirksam

In nahezu zehn Jahren MädchenEmpowermentProgramm gab es eine Gruppe von Mädchen und jungen Frauen, die noch nie vorgekommen war: Mädchen und junge Frauen im Jugendarrest bzw. solche die vom Arrest bedroht sind. Auf den ersten Blick ist vielleicht für nicht alle erkennbar, warum solche Mädchen und junge Frauen im Rahmen unseres Empowerment-Programms gefördert werden sollten? Jedoch: die meisten der betroffenen Mädchen und jungen Frauen kommen aus prekären Familienverhältnissen. Sie leiden unter Armut, manche auch unter Gewalt. Bei vielen von ihnen spielen Suchterkrankungen und andere psychiatrische Auffälligkeiten eine Rolle: entweder sind sie selbst oder eine Person in ihrer Familie ist betroffen.

Da Mädchen in der großen Gruppe straffälliger Jugendlicher eine verhältnismäßig kleine Gruppe darstellen, gibt es im Vollzug und danach wenig Angebote, die sich direkt an sie richten. Tatsächlich erfahren sie aufgrund der Rahmenbedingungen – verschärft durch die Corona-Pandemie – wenig persönliche Zuwendung. Es fehlt ihnen an Zuspruch, sich mit sich selbst und ihrer Situation auseinander zu setzen. Es wird ihnen nicht die Chance gegeben, gestärkt in ihren Alltag zurück zu kehren. Sie wissen nicht um weiterführende Unterstützungsangebote. Für viele der betroffenen Mädchen und jungen Frauen bedeutet das, dass sie sich nach ihrem Arrest in exakt denselben Situation wiederfinden wie, als sie das erste Mal straffällig geworden sind. Für viele ist es unmöglich aus diesem Kreislauf zu entkommen.

Mädchen und jungen Frauen sollen sich als selbstwirksam erfahren

Um all dies weiß Jennifer Schmidt vom Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt e.V.. Deswegen hatte sie zusammen mit anderen Vereinen des Verbands, Rückenwind e.V. Schönebeck, dem JFZ Gardelegen e.V. und dem VSB Magdeburg e.V., 2020 einen Antrag im MädchenEmpowermentProgramm gestellt. Das Kooperationsprojekt „24/7 – ein sozialpädagogisches Projekt für Mädchen* und junge Frauen*“ sollte mit Hilfe von kunstpädagogischen Angeboten die Mädchen und jungen Frauen dabei unterstützen, ihren Alltag nach dem Arrest eigenständig und gesetzeskonform zu gestalten. Ein wichtiger Fokus war dabei, die Mädchen in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken.

Sich als selbstwirksam zu erfahren, bedeutet, sich als Gestalterin des eigenen Lebens wahr zu nehmen und dementsprechend zu handeln. Das Projektteam konnte beobachten, dass die teilnehmenden Mädchen anfangs sich wenig zu trauten. Oft betonten sie, „sie können ja eh nix“. Im Rahmen des Projekts fanden mehrere Kunstworkshops statt, bei denen die Teilnehmer*innen jedes Mal ein Kunstwerk herstellten, dass sie dann auch mit nach Hause nehmen konnten. Darüber hinaus hat das Projektteam die Mädchen in Entscheidungen das Projekt betreffend eingebunden. Das Mitentscheiden sowie auch das Sprechen vor anderen fiel vielen anfänglich schwer. Doch alle konnten sich im Laufe der Projektworkshops öffnen und weiterentwickeln. So bot sich letztlich auch die Möglichkeit, über diverse Themen mit den Mädchen in den Austausch zu gehen. Einerseits konnten die Mädchen für globale Themen sensibilisiert werden, andererseits konnten auch sensiblere, persönlichere Themen besprochen werden.

Corona-Pandemie beeinflusste Projektverlauf

Wie viele Projekte, die wir in den letzten zwei Jahren gefördert haben, musste auch „24/7“ von ursprünglichen Planungen abweichen. War ursprünglich geplant mit Mädchen und jungen Frauen zusammen zu arbeiten, die aktuell im Jugendarrest sind, so verhinderte dies der Lockdown in den Jugendarresten. Stattdessen wurden Mädchen und junge Frauen aus betreuten Wohnprojekten eingeladen, an dem Projekt teilzunehmen. Viele von ihnen haben in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit dem Jugendarrest gesammelt. Sie gelten daher als gefährdete Gruppe.

Statt der geplanten sechs Workshop-Tage konnten nur vier durchgeführt werden. An diesen vier Tagen beschäftigten sich die Mädchen mit Malerei, Graffiti, Batik und Stenciling. Bei jedem Workshop wurde eine Gemeinschaftsarbeit erstellt, die dann im Rahmen der Kunstwettbewerb des Landesverbands ausgestellt wurden. Dieser Kunstwettbewerb wird bereits seit 1998 vom Landesverband ausgerufen und richtet sich an alle Inhaftierten und Patient*innen der Maßregelvollzugs- und Justizvollzugsanstalten in Sachsen-Anhalt. 2020 stand der Wettbewerb unter dem Motto „2030 – meine Welt in 10 Jahren“.

Stolz auf ihrer Kunstwerke

Die teilnehmenden Mädchen und jungen Frauen konnten sich durch dieses Projekt einmal in einer anderen Rolle erfahren: der künstlerisch Schaffenden, der Macherin. Sie selbst, aber auch Menschen aus ihrem Umfeld, wie z. B. ihrer Betreuer*innen in den Wohnprojekten, entdeckten neue Seiten an ihnen. Sie konnten stolz auf ihre Kunstwerke sein. Das Team um Jennifer Schmidt herum hofft, dass die Teilnehmer*innen die positiven Erfahrungen aus dem Projekt, aber vor allem das Gefühlt der Selbstwirksamkeit mit in ihren Alltag nehmen können.

Schauen Sie sich einen Film zum Kunstwettbewerb des Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt an! (Link zu YouTube-Video)

Eine Weile haben wir das Sternchen hinter Mädchen* und Frauen* verwendet, weil wir damit zeigen wollten, dass wir alle Menschen meinen, die sich weiblich positionieren. Wir haben aber wahrgenommen, dass diese Schreibweise als diskriminierend empfunden wird, weil sie impliziert, dass es ‚richtige‘ Frauen gibt und Frauen, die mit Sternchen markiert werden. Daher haben wir uns entschieden, das Sternchen in diesem Fall nicht mehr zu verwenden.
Wir benutzen weiterhin das Sternchen, wenn wir über Personengruppen sprechen (z.B. Beirät*innen, Kolleg*innen), um nicht-binäre Identitäten sichtbar zu machen und auf die Konstruiertheit von Geschlecht hinzuweisen. In Texten, die wir von unseren Projektpartner*innen erhalten, wird die Schreibweise Mädchen* bzw. Frau* von uns nicht verändert.