Community Healing. Wie zwei Projekte ihren Communities Halt geben
Foto: Women in Exile e.V.
Seit über einem Jahr dürfen wir zwei der durch filias Empowerment-Programm Frauen* und Flucht (EFF) geförderten Projekte nun schon begleiten: BIWOC* Rising aus Berlin und Women in Exile e.V. aus Brandenburg sind die zwei strategischen Förderprojekte des Programms. Im Herbst 2020, mitten im Corona-Lockdown, begann die Förderung. Was haben die Projekte seitdem erlebt? Wie geht es ihnen heute und wie blicken sie in die Zukunft?
Über die Projekte
BIWOC* Rising ist ein intersektionales Empowerment Projekt zur Stärkung der wirtschaftlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Teilhabe von marginalisierten Frauen, Trans-, Intersex- und nicht-binären Menschen of colour. BIWOC* Rising bietet zum Beispiel einen intersektionalen Coworking Space an und hat damit auf den großen Bedarf an sicheren Arbeitsplätzen reagiert. Außerdem bieten sie Workshops an und haben ein Mentor*innenprogramm ins Leben gerufen.
Women in Exile ist eine in Brandenburg von Flüchtlingsfrauen* gegründete Initiative, die für ihre Rechte kämpfen. Ausschlaggebend für die Gründung von Women in Exile war 2002 die Erfahrung, dass Flüchtlingsfrauen* doppelt Diskriminierung erfahren: Sie werden als Asylbewerber*innen durch rassistische Gesetze ausgegrenzt und werden zudem als Frauen* diskriminiert. Women in Exile machen z.B. in öffentlichen Veranstaltungen auf die spezifischen Herausforderungen von Flüchtlingsfrauen* aufmerksam, sie sind bundesweit vernetzt und machen wichtige Empowermentarbeit in Lagern.
Wichtiges Ziel: den Communities Halt geben
Auf das Jahr 2020 zurückblickend, was waren die Herausforderungen unserer Förderpartner*innen?
“Community Healing. Nach der Ungewissheit, die 2020 mit sich brachte – die Lockdowns und die damit verbundenen Trennungen von geliebten Menschen, die finanziellen Einbrüche, der erhöhte Rassismus und Sexismus und vieles mehr – bestand die größte Herausforderung darin, unserer Community einen Halt zu geben.“, antworten BIWOC* Rising. „Und das ist für uns auch eine intersektionale Herangehensweise – nämlich die eigenen Privilegien verstehen und für andere einsetzen. Self-care ist der neuste Trendbegriff, aber ohne sich selbst dabei zu verlieren ist Community-care viel wirksamer und nachhaltiger.“
Auch Women in Exile e.V. hatten vor allem mit der Pandemie und den damit einhergehenden eingeschränkten Möglichkeiten, sich physisch zu begegnen, zu kämpfen: „Besucher*innen in Flüchtlingslagern waren lange Zeit nicht zugelassen. Wir waren uns nicht sicher, ob wir ein Online- oder ein physisches Treffen planen sollten, vor allem, wenn es um nationale Vernetzungstreffen ging. Zum Beispiel war das eine Herausforderung, als wir unsere Bustour nach Norddeutschland geplant haben. Es war schwierig, Schlafplätze zu finden, weil vieles ausgebucht war oder wegen der Beschränkung durch die Corona-Regeln.“
Trotz Pandemie geht die Arbeit weiter
Und trotz dieser Herausforderungen sind beide Organisationen weiter aktiv und haben auch in diesem Jahr viel erreicht. BIWOC* Rising konnten zentral gelegene Räume für ihren Safer Space finanzieren und damit auch ein Zeichen gegen Gentrifizierung setzen: „Das ist für uns ein sehr großer Erfolg […] Unsere Communities werden aus ihren Kiezen verdrängt und für einige hängt ihre Existenz davon ab. Wir stellen unserer Community nun einen Safer Space für ganz unterschiedliche Community Arbeit zur Verfügung.“ Und auch Women in Exile konnten trotz der Pandemie ihre Bustour realisieren, bei der sie Frauen* in Lagern besuchen und Vernetzungs- und Empowermenträume öffnen: „All die Vernetzung, die wir während der Tour aufbauen konnten war unglaublich“. Trotz Einschüchterungsversuchen der Polizei konnten sie auch eine kurze Demonstration vor dem Schweriner Parlament organisieren und es gelang „die Bildung einer Gruppe von Flüchtlingsfrauen* in Mecklenburg-Vorpommern“.
Wieder mehr reale Begegnungen im nächsten Jahr
Beide Projekte blicken so auch hoffnungsvoll auf das nächste Jahr. „Wir haben gemerkt, dass trotz der Corona-Pandemie viele Flüchtlingsfrauen* unterschiedlicher Herkunft zu unserer Gruppe gestoßen sind.“, beschreiben Women in Exile ein Erfolgserlebnis des vergangenen Jahres. Nun plant der Verein zum 20-jährigen Bestehen eine internationale Konferenz im Sommer 2022 für geflüchtete und nicht geflüchtete Frauen*. „Während der Konferenz möchten wir unser gemeinsames Buch vorstellen, das in Arbeit ist und hoffentlich rechtzeitig fertig wird. Außerdem möchten wir die Struktur unseres Archivs vorstellen, das ein fortlaufendes Projekt für die Arbeit von Flüchtlingsfrauen* sein wird.“
Das Team von BIWOC* Rising freut sich auf „mehr Netzwerkabende und spannende Kooperationen. Wir hoffen auch sehr unser Mentoring-Programm weiterentwickeln zu können, da es eine große Nachfrage gibt. Wir werden auch einen regelmäßigen Podcast haben, so dass auch Allies unsere Arbeit verfolgen können.“
„Das Patriarchat muss weg“
Wenn sie einen Wunsch frei hätten, um strukturellen Wandel herbeizuführen, sind sich beide Projekte einig: Das Patriarchat muss weg.„Das Patriarchat muss weg. Ein für alle Mal.“, sagen die Kolleg*innen von BIWOC* Rising. „Das ist die Quelle allen Übels. Eine Struktur innerhalb eines Systems verändern bedeutet für uns keine Veränderung, lediglich eine Verschiebung. Wir wünschen uns eine Systemveränderung. Ohne das Patriarchat haben wir eine Chance auf intersektionale Gerechtigkeit, von der alle profitieren, auch Männer.“ Auch Women in Exile sehen in Patriarchat und Kapitalismus globale und systemische Probleme, die verändert werden müssen. Darüber hinaus „würden wir uns auch wünschen, dass sich das Bildungssystem ändert, Bücher mit rassistischen Inhalten überarbeitet oder verbrannt werden und Kindern von klein auf das Bewusstsein vermittelt wird, sich als Menschen zu identifizieren, mit Namen und nicht mit ihrer sexuellen Orientierung, Herkunft oder Hautfarbe. In den höheren Bildungseinrichtungen sollte Geschichte so gelehrt werden, wie sie ist, und nicht deutschlandbezogen.“
Wir danken beiden Projekten für ihre wichtige und mutige Arbeit.