Gemeinsamer Kurs gegen Anti-Feminismus über Kontinentgrenzen hinweg

Anfang dieses Jahres endete die erste Phase des Projektes „On the right track“, bei dem es um einen gemeinsamen Kurs gegen Anti-Feminismus geht. filia hat im Rahmen dieser europäisch-lateinamerikanischen Kooperation drei feministische Migrantinnen*selbstorganisationen in Deutschland mit insgesamt 23.000 Euro gefördert: Tutmonde e.V. in Stralsund, GLADT e.V. in Berlin und die Gruppe „Women* of Color“ aus Dresden. Für die Aktivistinnen* aller drei Organisationen sind Anfeindungen Teil ihres Alltags – und die Arbeit dagegen eine, die bereits mit dem morgendlichen Aufstehen beginnt.

Die Arbeit von Tutmonde, GLADT und Women* of Color setzt an unterschiedlichen Punkten an – und hat dabei ähnliche Ziele vor Augen: eine Welt, in der Diskriminierung weniger Platz hat und in der Frauen*, die intersektional Diskriminierung erfahren, sich gegenseitig stärken. Was genau haben die Organisationen gemacht – und wie haben auch sie ihre Arbeit auf die pandemiebedingten Umstände anpassen müssen?

GLADT

GLADT, eine Selbstorganisation von Schwarzen und of Color Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und Queeren Menschen in Berlin, hat gemeinsam mit der Redaktion des Berliner Community-Magazins „What’s Afghan Punk Rock, anyway?!“ die dritte Ausgabe des Magazins produziert – zum Thema „Future“. Für die Aktivistinnen* von GLADT bedeutete die Kollaboration mit dem Community-Magazin die Schaffung eines sichereren Raums, in dem es möglich war, Visionen und Ideen zu teilen. Auf diese Weise haben sie eine Zeitschriftenausgabe geschaffen, die, wie sie sagen, „ihren politischen Werten und Zielen so treu wie möglich bleiben konnte“. Entstanden ist ein Magazin – in kleiner Druckauflage und digital – mit mehr als 50 Beiträgen verschiedener Künstler*innen, mit Fotos, Zeichnungen, Texten und Gedichten in verschiedenen Sprachen: „We see dreams and hopes softly stretching across generations. We see our realities turn into manifestations of resistance on this earth, our home.” (aus dem Editorial)

Tutmonde

Die Migrantinnenorganisation Tutmonde hat im vergangenen Jahr intensiv zum Thema Gewalt gegen Frauen gearbeitet – und dabei unter anderem der Tatsache Nachdruck verliehen, dass die Ratifizierung der Istanbul-Konvention seitens Deutschlands Vorbehalte gegenüber migrantischen und geflüchteten Frauen* beinhaltet. Im Rahmen der Förderung von „On the right track“ hat Tutmonde auf politischer Ebene durch Netzwerkarbeit den Stimmen und Anliegen von Migrantinnen* mehr Gehör verschafft – unter anderem durch die Zusammenarbeit mit Gleichstellungsbeauftragten der Landkreise. In Zusammenarbeit mit jugendlichen Migrantinnen* ist außerdem eine Wanderausstellung zum Thema „Gewaltpandemie“ entstanden: Die Ausstellung besteht aus 25 einzelnen Zeichnungen und Zitaten, bei denen es nicht nur um verschiedene Formen von Gewalt geht, sondern auch die Istanbul Konvention Thema ist. Die Ausstellung „ist der Versuch, einen transkulturellen Ansatz in Plakatform umzusetzen.“ Tutmonde hat darüber hinaus kurze Podcasts erstellt, einer davon erläutert, was ein Frauenhaus ist. Er wurde in verschiedenen Sprachen aufgenommen (deutsch, englisch, arabisch, russisch, polnisch) und soll sowohl dazu beitragen, Frauen* den Zugang zum Frauenhaus zu erleichtern als auch dem Fachpersonal helfen, eine interkulturelle Öffnung voranzubringen. Die Ausstellung, die Podcasts und Informationen über die weitere Arbeit von Tutmonde finden sich auf ihrer Webseite.

„Women* of Color“

Die Aktivistinnen* der intersektionalen Empowermentgruppe „Women* of Color“ in Dresden, die sich 2019 gegründet haben, nutzten die Förderung unter anderem für drei Empowermentworkshops. Außerdem haben sie einen Lesekreis initiiert, in dem sie Bücher von Frauen* of color diskutieren. Die Aktivistinnen* beschreiben den Austausch mit anderen Frauen* of color als stärkend – und dass er begleitet ist von der Erkenntnis bzw. Versicherung, dass Rassismus eine kollektive Erfahrung ist – und nicht nur eine individuelle. Es wird gemeinsam eine Auseinandersetzung darüber geführt, wie die einzelne*n und wie sie gemeinsam strukturellem Rassismus in ihrem Alltag begegnen können und wollen. Auch ihre Aktivitäten mussten im letzten Jahr überwiegend online stattfinden, was eine Herausforderung für die Gruppe ist, da sich viele Frauen gerade erst kennenlernen. Mehr über die Arbeit der Gruppe findet sich hier.

 

Eine Rückmeldung, die wir von den Partnerinnen*, die filia im Rahmen von „On the right track“ gefördert hat, bekommen haben, ist, dass weiterhin weiße feministische Strukturen in Deutschland oftmals keine tragfähigen Allianzen für Frauen* of Colour sind – und dass sich weiße Frauen oft angegriffen fühlen, wenn über Rassismus gesprochen wird. Wir bei filia wünschen uns, dass diese und weitere Förderungen dazu beitragen, dass sich daran etwas ändert – und dabei fassen wir uns auch an die eigene Nase.

Die Förderung der drei Organisationen war Teil einer europäisch-lateinamerikanischen Kooperation von 19 Frauenstiftungen aus dem Prospera-Netzwerk. Neben den Projektförderungen in allen beteiligten Ländern haben die Frauenstiftungen auch Aktivitäten zur Stärkung ihrer eigenen Arbeit entwickelt. So organisierten sie zum Beispiel Austausch-Webinare, wie eine zukunftsgerichtete Öffentlichkeitsarbeit von Frauenstiftungen aussehen kann.